Schön ist es zu sehen, wie die Emotionen hier ausbrechen, wenn die Leute z.T. nach 800 km oder mehr am Ziel sind.
Um 12:00 war dann die obligatorische Pilgermesse an der Reihe. Vor der Messe trat eine Nonne ans Mikrofon und schnatterte etwas rum. Ich dachte, dass sie etwas von wegen Ruhe und Anstand erzählt, so aufgeregt hörte sich das an. Aber letztlich wollte sie allen die notwendigen Lieder beibringen.
Dann fing sie selber an zu singen... alle Achtung. Die hätte den Soundtrack von Herrn der Ringe bestimmt besser hinbekommen als Enya. Das war Gänsehautfeeling pur.
Die Messe war dann Businnes as usual, aber dann... der Botafumeiro wurde heruntergelassen.
Etwas Hintergrundwissen (von santiago-online.com):
Auf einmal waren alle Handys in der Luft. Die Nonne hat einen Elbensong zum Besten gegeben und die gewaltige Orgel wurde richtig entfesselt. Das war ganz großes Kino...Der Name des großen Weihrauchfasses der Kathedrale von Santiago de Compostela ist galicisch. Er setzt sich aus den Wörtern „botar“ (hier: ausstoßen) und „fume“ (Rauch) zusammen.Von einem Botafumeiro zu sprechen ist allerdings nicht ganz richtig. Derzeit existieren in Santiago drei solcher Weihrauchfässer (lateinisch Thuribulum): eins aus dem Jahr 1851, das von dem Goldschmied José Losada aus einer versilberten Legierung aus Messing und Bronze gefertigt wurde (Photo 1) und zwei Kopien, die die Madrider Werkstatt von Luis Molina Acedo 1965 und 1971 aus Silber hergestellt hat. Die erste Kopie ziert das Schaufenster eines Ladens in der Calle del Villar in Santiagos Altstadt (Photo 3). Die zweite Kopie wurde der Kathedrale 1971 von der Hermandad de Alféreces Provisionales gespendet und wird im Kapitelssaal aufbewahrt. Sie kam im Jahr 2006 im Dom zum Einsatz, während das Exemplar aus dem 19. Jahrundert in Madrid restauriert wurde.Der Vorgänger des Botafumeiro aus dem 19. Jahrhundert wurde möglicherweise von Ludwig XI. im 15. Jahrhundert gespendet und trat 1554 seinen Dienst an. Allerdings sollen es auch Franzosen gewesen sein, die ihn später raubten - nämlich Napoleonische Truppen während des spanischen Unabhängigkeitskrieges (1808-1814) im Jahr 1809.Nicht um einen Botafumeiro handelt es sich dagegen bei der sogenannten "alcachofa" (Artischocke) - auch als "repollo" (Kohl) bezeichnet. Damit ist vielmehr ein etwa 50 cm hohes eiförmiges Gebilde gemeint, dessen metallene Blätter wie bei einem Kohl oder einer Artischocke übereinander liegen. Die "alcachofa" (sprich etwa: alkatschoffa mit Betonung auf dem o) wird als Gewicht an das Seil des Botafumeiro geknüpft, wenn dieser nach der Messe in die Sakristei gebracht wird. Die Blätter des kunstvollen Gegengewichts lassen sich nach außen klappen und erlauben es so, im Innern der "alcachofa" Kerzen anzubringen. Etwa bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts soll es üblich gewesen sein, das derart beleuchtete Kunstwerk während der Karwoche anstelle des Botafumeiro einzusetzen.Auch wenn der Botafumeiro der Basilika Santiagos nicht das größte Weihrauchfaß der Welt ist - Lohne (Oldenburg) nimmt für sich in Anspruch über ein 3,21 m hohes und 500 kg schweres zu verfügen - reichen seine etwa 1,50-1,60 m Höhe und 54 kg Gewicht für ein spektakuläres Schauspiel, wenn er von der Puerta de Azabachería bis zur Puerta de las Platerías mit ca. 65 km/h durch das Querschiff rauscht. Seine Größe wird neben der feierlich-liturgischen Funktion auch der notwendigen Verbreitung angenehmen Geruches in einer Kathedrale zugeschrieben, in der es bis 1786 für die Pilger in ihrer großen Zahl üblich war, dort auch zu essen und zu schlafen.Dem Botafumeiro das Fliegen beizubringen, ist Aufgabe der acht professionellen „tiraboleiros“ (eine Gallegisierung des lateinischen thuribularii); derzeit unter der Leitung des „tiraboleiro mayor“, Armando Raposo. Sie ziehen mit Übung und Geschick gemeinsam an dem zuletzt 2007, 2004 und 1999 verschlissenen und heute 66 m messenden Seil, so daß das Faß am tiefsten Punkt seiner Flugbahn fast den Boden berührt.Das beeindruckende Ereignis, den Botafumeiro in Bewegung zu sehen, gewinnt noch dadurch zusätzlich an Spannung, daß es über die Jahrhunderte bereits viermal zu Unfällen gekommen ist. Es war Katharina von Aragon, die 1499 ihre Reise nach England in Santiago unterbrach und Zeugin wurde, wie das Weihrauchfaß durch die Fenster des Südportals auf die Plaza de las Platerías stürzte. Aus den Jahren 1622, 1925 und 1937 werden weniger spektakuläre Zwischenfälle berichtet. Menschen kamen dabei jeweils nicht zu Schaden.Jeder Einsatz des Botafumeiro verursacht Kosten für die acht "tiraboleiros", die Kohle, den Weihrauch und durch den Verschleiß des schweren Seils. Daher ist die Benutzung des großen Weihrauchfasses zunächst auf Gottesdienste an wichtigen Feiertagen begrenzt. Nach der Auskunft des Pilgerbüros kann der Botafumeiro aber gegen Übernahme der Kosten von €300,- auch für die Pilger-Messe um 12 Uhr und andere Messen gebucht werden.So wie 2013 haben sich auch für das Jahr 2014 der Stadtrat, die Handelskammer und die Hoteliersvereinigung Santiagos mit den Verantwortlichen der Kathedrale auf die Übernahme der Kosten für die Benutzung des Botafumeiros während der Abendmessen immer freitags um 19:30 Uhr geeinigt. Ob das Angebot auf die Sommermonate beschränkt bleibt oder weiter ausgedehnt werden soll ist unklar.
Hier ist das Schauspiel aus einer anderen Perspektive. Das Video habe ich auf meinem 2016er Camino Portugues gemacht.
Und so sieht das aus, wenn der irdische Stellvertreter Jesu Christi das Teil anwirft.
Leider erreichte mich dann die Nachricht, dass Nina stationär im Krankenhaus ist, um das Augenzittern abzuklären. Am liebsten würde ich jetzt zurückfliegen, aber viel bringen tut das auch nicht. Kurzfristige Flüge sind sehr teuer und viel schneller als Samstag bin ich auch nicht da, weil ich erst einmal halb um die Welt fliegen muss. Ein mitlaufender Neurologe hat mir etwas die Angst genommen, aber die Unbekümmertheit ist weg. Wie geplant, werde ich morgen nach Finisterre gehen, aber immer auf Absprung.
Da hoffe ich mal das Beste ... und den heiligen Jakob, der im Video hinter dem Altar zu sehen ist, habe ich besucht und mal erzählt, dass er auf Nina achten soll.
UPDATE 2016: Der Neurologe aus Belgien hatte im Nachhinein in allen Punkte Recht gehabt. Wahnsinn!
Auch mein Körper meldet sich trotz der Entspannungsetappen an den letzten beiden Tagen zu Wort, nach dem Motto "hey Arsch, jetzt ist mal langsam gut mit wandern". Die Achillessehne, das Schienbein und auch der rechte Knöchel machen sich gewaltig bemerkbar. Es ist wohl höchste Zeit, wieder on the road zu sein, um die Schmerzen wegzulaufen.
Abends war ich nochmal in der Pilgermesse, aber eigentlich nur, weil ich die Gebeine vom Jakob von nah sehen wollte. Hinter dem Hauptaltar ist die Jakobsbüste und unter dem Altar der Schrein mit einigen Knochen drin. Historiker sind sich angeblich nicht sicher, ob die Gebeine tatsächlich aus der Zeit von Jakob stammen und somit könnten die echt sein bzw. zumindest von einem Zeitzeugen stammen.
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| Ausblick aus meinem Hotelzimmer, den Hospederia San Martin Pinario |
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| Hier sieht man, wie das feuchte galicische Wetter die Pflanzen an den Gebäuden sprießen lässt. |
| Auf der anderen Seite der Kirche steht nochmal so eine Batterie von Beichstühlen |
| Das ist kein Bratwurststand! |
| Das ist Jakob der Maurentöter. Das ist der Kirche wohl etwas peinlich, weil hinter den Blumen die abgeschlachteten Mauren liegen. Tja, die Menschheit scheint wohl nicht wirklich dazu zu lernen. |
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| Auch bei der Orgel musste man hier übertreiben. |
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| Da ist die Gesangslehrerin |
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| Da hängt die Gulaschkanone ... |








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